(Triengen/Sontheim) Um das ehrgeizige Produktionsziel bei der Herstellung von Lenkspindeln nicht zu gefährden, musste die Felss Rotaform AG den Werkstücktransport zwischen den Bearbeitungsstationen sicherstellen. Ein Trocknungsvorgang am Ende erwies sich als große Herausforderung. Die frühere Handhabung mit Außengreifer war nicht zufriedenstellend, und ein erster Innengreifer verlor immer wieder Teile. Erst seit die Greiferexperten von Röhm einen Standard-Kunststoffgreifer umkonstruierten, wird die fertig bearbeitete Lenkspindel prozesssicher und wiederholgenau an die Qualitätskontrolle übergeben. Für die preiswerte Sonderlösung sorgt ein ebenso ungewöhnlicher wie verblüffender Kniff.
"Wir haben schon gezweifelt, ob es überhaupt eine Lösung für die einfach erscheinende Aufgabenstellung am Ende der Fertigungslinie zur Herstellung von Lenkspindeln gibt", erinnert sich Dietmar Bongard. "Aber seit über einem halben Jahr verrichtet der Kunststoffgreifer von Röhm seine Arbeit zuverlässig ohne Ausfälle", so der Entwicklungsingenieur der Felss Rotaform AG. Mit der gefundenen Lösung sehen die Verantwortlichen in der Schweiz diese Herausforderung als gelöst an und blicken zuversichtlich dem Jahresproduktionsziel entgegen.
Spezialist für Rundbearbeitung
Dass die Nachfrage nach den Lenkspindeln so drastisch steigt, liegt an den immer mehr verbreiteten Elektrolenkungen. Für diese, "dual pinion" genannte Lenktechnologie, die als Aktivlenkung oder Direktlenkung in immer mehr PKWs verbaut wird, ist die Lenkspindel ein wichtiges Sicherheitsteil, über dessen genaue Funktion sich die Verantwortlichen jedoch in Schweigen hüllen. Als Schweizer Fertigungsstandort der Felss-Gruppe und Spezialist für die Umformung und Rundbearbeitung fertigt die Felss Rotaform AG die Produkte zuverlässig und liefert sie termintreu in der gewünschten Menge an den Kunden, einen weltweit agierenden Hersteller von Lenksystemen.
In der Fertigung wird aus dem Rohteil durch verschiedene Arbeitsschritte wie Rundkneten, Drehen, Fräsen und Härten das Werkstück in seine endgültige Form gebracht. Nach einem abschließenden Waschvorgang wird das Teil in einer Ringöse trocken geföhnt. Und hier beginnt die Herausforderung an die Greiferfunktion.
Greiferlösung für Innenanlage gesucht
Im Luftstrom der Ringöse, in die das Werkstück eingetaucht und danach wieder herausgezogen wird, soll die Oberfläche abtrocknen. Beim früher verwendeten Außengreifer blieb an der Greifstelle stets eine Restfeuchte. "Außerdem war der Metallgreifer nicht zuverlässig genug", erinnert sich Bongard. Mitte 2012 hat man bei Rotaform umgestellt auf einen Innengreifer. Dabei handelte es sich um einen Spanndorn, in dessen letztem Drittel sich ein Gummibalg befand, der sich aufblasen ließ und so einen Formschluss zum Werkstück herstellte. Was jedoch theoretisch und in einer Testumgebung funktionierte, zeigte in der rauen Produktionsumgebung Schwächen. Der Gummibalg hielt den Anforderungen nicht stand und löste sich regelmäßig nach wenigen Wochen auf. In der Folge verlor der Greifer stets die Werkstücke. "Der regelmäßige Greiferaustausch verursachte nicht akzeptierbare Kosten", so Bongard. Eine andere Lösung musste also her.
Als der stellvertretende Geschäftsführer von Röhm in der Schweiz, Damiano Casafina, im Haus war, wurde über das Problem diskutiert. Als langjähriger und zuverlässiger Lösungsanbieter für Spannmittel hat Röhm bisher stets Kompetenz bewiesen. Der Greiferbereich von Röhm war auch bekannt. Da es aber keine Standardlösung aus dem Regal gab, passten die Konstrukteure den individuell gestaltbaren Kunststoffgreifer RRMP an die spezielle Anwendung an. Und als im November 2012 ein Greifer montiert wurde, zeigte sich, wie einfach und gut die Lösung war. Zuverlässig und schnell packt ein Kunststoffspanndorn alle elf Sekunden das Werkstück innen und führt es in 21 Wochenschichten sicher durch die Ringöse, bevor es vollständig trocken an einen weiteren Werkstückträger übergeben wird.
Lösung von allen gemeinsam entwickelt
"Ganz so einfach, wie sich das anhört, war es natürlich nicht", betont Casafina. Und in der Tat galt es, einige clevere Detaillösungen zu finden. So besteht der Greifer aus einem speziellen Kunststoff, der resistent gegen Kühlschmiermittel ist. Hergestellt werden die Kunststoffgreifer im Lasersinterverfahren. Das RRMP-Grundmodell erweiterten die Experten um einen geteilten Spanndorn, der sich durch Aufspreizen ideal für die Innenspannung eignet, indem er sich beim entsprechenden Impuls aufspreizt und sich innen an das Werkstück anlegt. Weil Casafina jedoch die Erfahrungen von Rotaform mit dem Produkt des anderen Herstellers hautnah geschildert bekam, wollte er sich damit nicht begnügen.
Im gemeinsamen Gespräch entstand die jetzt eingesetzte Lösung mit einem einfach wirkenden Pneumatikzylinder. Die nach den Gesetzmäßigkeiten von Festkörpergelenken funktionierenden Dornhälften werden von dem Zylinder aufgeweitet und gehen aufgrund ihrer Eigenelastizität beim Öffnen des Zylinders wieder in die Ausgangsstellung zurück. So ergibt sich eine wesentlich größere und stabilere Kontaktfläche zwischen Spanndorn und Innenseite des Werkstücks. Die sorgt wiederum für eine sichere Innenanlage. Ergebnis: Das Teil wird genügend kraftvoll und nahezu unverlierbar gehalten und kann, von oben gegriffen, hängend durch den Lufttrom der Ringöse geführt werden. "In dieser Form arbeitet dieser erste Greifer seit November fehlerlos und sicher", freut sich Bongard.
Erfolgreicher Prototyp löst weitere Ideen aus
Für diese ebenso ungewöhnliche wie clevere Lösung brachten alle Beteiligten Ideen und ihre Kompetenz ein. "Als es jedoch an die Umsetzung ging mussten schon noch ein paar Hürden überwunden werden, denn ein Selbstläufer war diese Neuentwicklung keineswegs", erinnert sich Casafina. Was dann zunächst als Prototyp entwickelt wurde, löste nach dem erfolgreichen Einsatz gleichwohl weitere konstruktive Ideen aus. Und so verfügt die weiterentwickelte Version des Kunststoffinnengreifers neben dem Aufspreizen der beiden Kunststoffhälften und dem zusätzlichen Kolben noch über eine O-Ring-Nut als dritte Verliersicherung. Damit lassen sich auch Teile mit noch komplexeren Geometrien sicher von innen greifen. Somit kann man bei Felss Rotaform zukünftigen Aufgaben gelassen entgegen blicken.